Kinderschicksale

Arme Kinder, reiche Kinder, Durchschnittskinder, glückliche und traurige Kinder, sie alle gibt es. Ob es einem Kind gut geht oder nicht, hat nichts mit Geld zu tun sondern einzig damit, ob es geliebt wird und ob es jemanden gibt, der sich um es kümmert. Hier sind zwei Lieder aus der CD "Kindergedanken", die ein bißchen zum Nachdenken anregen mögen.

Das reiche Kind

In der Zeitung sah ich ein Photo von Kindern aus der dritten Welt.
Sie waren spärlich gekleidet und armselig dargestellt.
Ihr Heim war nur eine Hütte aus Wellblech mit kaum einem Dach.
Und doch war ein Lachen auf ihren Gesichtern, ich seufzte und dachte nach.
Dieses Kind dort hat einen Freund,
einen, der's gut mit ihm meint,
einen, der gern zu ihm steht,
der freudig mit ihm geht.

Ich lebe in einem Haus so groß wie ein Palast,
nur daß meine Mutter meinen Vater nicht mag, ja beinahe haßt.
Ich habe genug Kleidung, leicht ein Duzend Schränke voll,
hab' so viel Spielsach‘, daß ich nicht weiß, was ich damit soll,
fahr' in den Ferien nach Sankt Moritz oder auf uns're Hochseejacht
und habe über Geldprobleme noch niemals nachgedacht.
Ich kann mir kaufen alles, was ich will,
doch ich bin alleine, in meinem Zimmer ist es still.
Ich selbst habe keinen Freund,
keinen, der's gut mit mir meint,
keinen, der gern zu mir steht,
der freudig mit mir geht.

An den Wochenenden fahr' ich zu Vater, werktags bin ich bei Mama,
und irgendein Angestellter ist schon immer für mich da.
Der Chauffeur hat eigentlich stets seinen Wagen für mich bereit.
Für Geld kann man alles haben, selbst eine Autofahrt, wenn es schneit.
Doch ich ginge viel lieber ganz alleine zur Rodelbahn,
stellte mich geduldig in der Reihe ganz weit hinten an,

weil dann vielleicht wenigstens mal ein fremdes Kind mit mir spricht.
Doch das wäre viel zu gefährlich, ein Reicher tut das nicht.
Nein, ich habe keinen Freund,
keinen, der's gut mit mir meint,
keinen, der gern zu mir steht,
der freudig mit mir geht.

Ich werd' von Leibwächtern beschützt, rund um die Uhr bewacht,
meine Spielgefährten sind gekauft. Schon oft hab ich mir gedacht,
ich wünsche mir, einmal schrecklich arm zu sein
wie diese Kind auf dem Bild, es hat einen Freund ist nicht allein.
Dieses Kind dort hat einen Freund,
einen der's gut mit ihm meint,
einen der treu zu ihm steht,
der freudig mit ihm geht.

 

Das Amt entscheidet

Mein Papa ist schon lange tot, vorgestern starb die Mama.
Noch ehe ich richtig weinte, war der Typ vom Jugendamt da.
Er erklärte mir, wie bedauerlich, ich sei jetzt ganz allein,
und deshalb müsse ich schnellstens in ein schönes Kinderheim.
Doch ich lebe hier bei unser'n Nachbarn, sie sind so lieb zu mir.
Ich fühle mich da zuhause. Warum soll ich fort von hier?

Chor: Du kennst dich nicht aus, die Behörde weiß besser Bescheid,
das Amt entscheidet - tut uns leid.

Seit Wochen bin ich jetzt hier, das Heim ist sauber und steril.
Die Erzieher arbeiten in Schicht, kümmern sich um uns ehrlich viel.
Doch ich hab' Sehnsucht nach unser'n Nachbarn, nach meinem Zuhause dort,
nach dem Bett im Zimmer meines Freundes. Warum mußte ich fort?
Und heute war der Mensch wieder da, der Typ vom Jugendamt,
er verkündete mir lächelnd, ich werde zu Pflegeeltern entsannt.

Chor: Du kennst dich nicht aus, die Behörde weiß besser Bescheid,
das Amt entscheidet - tut uns leid.

Seit Wochen bin ich jetzt hier, die Leute bemühen sich sehr,
doch das Eingewöhnen, ach, es fällt mir schrecklich schwer.
Ich hab' so Sehnsucht nach unser'n Nachbarn, nach meinem Zuhause dort,
nach dem Bett im Zimmer meines Freundes. Warum mußte ich fort?
Die Frau erklärte mir, daß Nachbars Wohnung zu klein sei,
und dann kam der Bescheid, ich bin zur Adoption frei.

Chor: Du kennst dich nicht aus, die Behörde weiß besser Bescheid,
das Amt entscheidet - tut uns leid.

So, und jetzt bin ich hier, meine Eltern nennen sie sich schon.
Mir scheint, jetzt ist es aus, das ist wohl die Endstation.
Ich hab' so Sehnsucht nach unseren Nachbarn, und hab keine Chance mehr,
mich störte deren kleine Wohnung nicht, denn sie liebten mich sehr.
Nur eine kleine Hoffnung gibt's, ich bin hier erst auf Probezeit,
vielleicht schickt man mich ja zurück - doch dann? - Heim - and're Pflegeeltern - und die Nachbarswohnung ist für's Jugendamt zu klein - für mich war sie es nicht - darf ich je wieder zurück? - wann? - nein? - (langsam leiser werden und ausblenden)

© Korinna Söhn