Die Faschingszeit beginnt am 7. Januar, dem Tag nach Epiphanias und dauert bis Faschingsdienstag, dem Tag vor Aschermittwoch, wenn die 40-tägige Fastenzeit vor Ostern beginnt.
Wie sollten Christen dazu stehen? Sollten sie den Fasching als etwas Heidnisches komplett ablehnen? Oder kann man sich nochmal so richtig austoben, bevor man dann 40 Tage lang fasten sollte?
Als ich Kind war, war die Faschingszeit für mich so selbstverständlich wie die Adventszeit. Gemeinsam hatten beide, daß es für uns Ballettkinder vermehrt öffentliche Auftritte gab, und das bereitete viel Freude. Außerdem war Fasching für mich eine Zeit, in der es große Bälle gab, und die gefielen mir. Bei den Maskenbällen verkleidete man sich. Für ein paar Stunden war man nicht mehr man selbst, man legte das eigene Ich ab und schlüpfe in eine andere Gestalt. Viele Mädchen waren natürlich gerne Prinzessinnen, man konnte aber auch ein Seeräuber sein oder ein Bär oder sonst eine Märchengestalt. Und dann gab es die wunderbaren Schwarzweißbälle. Die Herren trugen Smoking oder Frack und die Damen elegante Abendkleider. Auch hier entschwand man dem Alltag für ein paar Stunden, wähnte sich in einer längst vergangene, höfischen Zeit und tanzte, so viel man nur wollte.
Dann wurde ich Christ. Und als der nächste Fasching kam, und ich auch in der Gemeinde fröhlich fragte, wer Lust hätte, mit mir zusammen zu einem Ball zu gehen, räusperte man sich verlegen und rümpfte die Nase: "Ein Christ tut das nicht. Fasching ist Sünde." Nun war ich diejenige, die höchst irritiert die Stirn runzelte: "Was bitte ist an Fasching böse?" Denn das hatte ich ja gelernt; Sünde ist böse. – "Er ist unmoralisch," wurde mir erklärt. Das nun verstand ich noch weniger. Was ist an Fasching unmoralisch?
Fassungslos lauschte ich den Erklärungen: Beim Gesellschaftstanz kommen sich Mann und Frau sehr nahe, berühren sich, das kann erotische Begierden auslösen. Und im Fasching wird sehr viel getanzt. Es wird auch sehr viel Alkohol konsumiert. Dies führt zu Zügellosigkeit und somit wiederum zu sündhaften Begierden. Durch die Ausgelassenheit kann man über die Strenge schlagen, was wiederum in Sünde enden kann. Also meide man als Christ den Fasching von vorne herein, um nicht in Versuchung zu geraten.
Ich nickte nachdenklich und resümierte, daß es die altehrwürdigen Gemeindemitglieder bestimmt gut mit mir meinten. Für mich war das Tanzen immer so selbstverständlich wie das Atmen, ich brauchte den Tanz nicht, um einen Mann erotisch anziehend zu finden, oder um auf ihn ebenso zu wirken. Ich mochte auch keinen Alkohol im Übermaß und wäre nie auf den Gedanken gekommen, den Fasching als Alibi zu benützen, um mich betrinken zu dürfen.
Ich konnte beim besten Willen nichts finden, was am Fasching böse sein sollte. Allerdings stellte ich mit den Jahren fest, daß es durchaus Menschen gibt, für die der Fasching ein willkommener Anlaß ist, sich unmoralisch zu verhalten. Allerdings taten diese Leute es das Jahr über und ohne Fasching ebenso.
Ich brauche den Fasching nicht, um lustig sein zu dürfen; aber ich finde den Fasching lustig. Ich finde es spaßig, mal für ein paar Stunden in ein anderes Ich zu schlüpfen und eine Maske zu tragen, aber ich brauche keine Maske, um mein echtes Ich im täglichen Leben vor anderen Menschen zu verbergen.
Zu mir hat einmal jemand gesagt: "Du kannst überall hingehen, wo du Jesus mitnimmst."
Ich bin der Meinung, daß ich durchaus als Christ die Freiheit habe, zusammen mit Jesus zu einem Faschingsball zu gehen oder mich faschingsmäßig zu verkleiden. Bevor ich jedoch dann Jesus in einer Ecke sitzen lasse und mich möglicherweise irgendwelchen fragwürdigen Amüsements hingebe, sollte ich lieber nicht auf einen Faschingsball gehen. Diese Verhaltensregel gilt jedoch zwölf Monate im Jahr und ganz und gar nicht nur zur Faschingszeit.