Judas Ischariot, der Mann, der Jesus verriet

Wer im sog. christlichen Abendland lebt, weiß, daß jedes Jahr im Frühling Ostern gefeiert wird. Es ist auch allgemein bekannt, daß dieses Osterfest nicht nur etwas mit Osterhasen und Ostereiern zu tun hat, sondern daß sein Ursprung im Christentum liegt. Die Christen feiern die Auferstehung Jesu, Gottes Sohnes. Jesus war vor ca. 2000 Jahren in Jerusalem hingerichtet worden. Eng verbunden mit dieser Hinrichtung ist der Name Judas Ischariot. Er war es, der Jesus für 30 Silberlinge verriet. War er schuld am Tod von Jesus? Wer war dieser Judas? Warum hat er das getan?

Es gibt Menschen, die meinen, Jesus sei hingerichtet worden, weil Judas Ischariot ihn verriet. Aber das stimmt nicht. Gott brauchte Judas nicht. Es war Gottes Plan, daß sein Sohn, Jesus, der niemals in seinem Leben eine Sünde begangen hatte, stellvertretend für alle unsre Sünden sterben sollte. Gott hat Jesus vom Tod wieder auferweckt, und mit ihm dürfen alle jene leben, die an ihn glauben.

Damit dieses Erlösungswerk geschehen konnte, war es jedoch nicht notwendig, daß der Mensch Judas dafür geopfert wurde. Jesus hatte sich niemals versteckt. Die Hohenpriester hätten Jesus zu jeder Zeit und an jedem Ort festnehmen können. Für den Heilsplan Gottes war die Tat des Judas vollkommen überflüssig. Es war die alleinige und persönliche Entscheidung des Judas, Jesus zu verraten. Aber warum hat er das getan?

Judas war ein Mann der ersten Stunde. In allen Evangelien lesen wir (Matthäus 10, 4, Markus 3, 19, Lukas 6,16) daß Judas einer der zwölf Jünger von Jesus war. Jesus hatte ihn ebenso erwählt wie die anderen elf. Judas war also im engsten Kreis der Begleiter von Jesus. Er erlebte alle Wunder mit, die Jesus tat, hörte alle seine Reden. Was war an ihm anders als bei den anderen?

Kürzlich wurde im Fernsehen in Bibel TV ein Interview mit einem Serienmörder ausgestrahlt, aufgenommen am Abend vor seiner Hinrichtung. Er erzählte, daß all seine Bekannten bei seiner Verhaftung völlig überrascht gewesen waren. Er war ein ganz normaler, unauffälliger Durchschnittsmensch gewesen. Niemand hatte etwas von seinem Doppelleben geahnt.

In den Evangelien von Matthäus, Markus und Lukas lesen wir, daß auch die Jünger keine Ahnung von dem Verrat des Judas hatten. Beim letzten gemeinsamen Abendessen geschah folgendes:

Und als sie zu Tische saßen und aßen, sprach Jesus: "Wahrlich, ich sage euch: Einer von euch, der mit mir ißt, wird mich verraten!" Da fingen sie an traurig zu werden und fragten ihn einer nach dem andern: "Doch nicht ich?" (Markus 14, 18 – 19, siehe auch Matthäus 26, 21, , Lukas 22)

Lediglich im Evangelium des Johannes ist die Sachlage etwas anders dargestellt. Da lesen wir bereits in Johannes 6, 68 – 71, daß Jesus wußte, daß Judas ihn verraten würde.

Da antwortete ihm Simon Petrus: "Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens. Und wir haben geglaubt und erkannt, daß du der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes bist!" Jesus antwortete ihnen: "Habe ich nicht euch Zwölf erwählt? Und einer von euch ist ein Teufel!" Er redete aber von Judas, Simons Sohn, dem Ischariot; denn dieser sollte ihn verraten, einer von den Zwölfen.

In Johannes 12, 3 – 6 wird nochmals von einer Begebenheit berichtet, die von der anderen Gesinnung des Judas zeugt:

Da nahm Maria ein Pfund echter, köstlicher Nardensalbe, salbte Jesus die Füße und trocknete ihm die Füße mit ihren Haaren; das Haus aber wurde erfüllt vom Geruch der Salbe. Da spricht Judas, Simons Sohn, der Ischariot, einer seiner Jünger, der ihn hernach verriet: "Warum hat man diese Salbe nicht für dreihundert Denare verkauft und es den Armen gegeben?" Das sagte er aber nicht, weil er sich um die Armen kümmerte, sondern weil er ein Dieb war und den Beutel hatte und trug, was eingelegt wurde.

Man stelle sich eine ganz normale Gemeinde vor. Da sind Menschen, denen wir vertrauen, die jeden Sonntag zur Kirche kommen, die miteinander beten. Wissen wir, daß wir jedem einzelnen von ihnen vertrauen können? Wie genau kennen wir unsere Gemeindegeschwister?

Viele in unserer Gemeinde haben Putzdienst, ich auch. Etwa einmal alle zwei Monate muß ich gewisse Räume unserer Kirche putzen. Einmal geschah es, daß ich keine Zeit und keine Lust hatte und eben nicht putzte. Am Sonntag darauf ging ich zur Kirche, spähte verstohlen in so manche Ecken und stellte beruhigt fest, daß es ganz offensichtlich keinem aufgefallen war, daß ich nicht geputzt hatte. Aber ich selbst hatte doch ein schlechtes Gewissen. Ich erzählte es einer Schwester.

Das genau ist der Punkt. Ich hätte es auch nicht erzählen können, und keiner hätte es je erfahren, keinem wäre es aufgefallen. Es war nur ein winzig kleines Vergehen, aber es war unrecht. Wenn es bei kleinen Dingen klappt, daß niemand es merkt, warum sollte es bei größeren nicht ebenfalls klappen?

Der Teufel sucht permanent nach Möglichkeiten, unser habhaft zu werden. Wir sollten ihm keine auch noch so kleinen Angriffsflächen bieten.

Vielleicht ist es bei Judas ähnlich angegangen. Er hatte die gemeinsame Kasse in Verwahrung. Da fiel es doch nicht auf, daß er mal einen Groschen oder zwei für sich persönlich abzweigte. Und so allmählich wurde es mehr, und mehr, und er fand Gefallen daran, und schließlich kam es ihm in den Sinn, aus der geplanten Verhaftung von Jesus auch persönlichen Profit zu schlagen, indem er ihn verriet.

Und wo bei alledem waren die anderen Jünger? Sie hatten ganz offensichtlich keine Ahnung von dem Verhalten ihres Bruders, Judas, weil sie sich nämlich nicht um ihn kümmerten. Wie sieht es in unseren Gemeinden aus? Kümmern wir uns gegenseitig um unsere Geschwister? Pflegen wir persönliche, private Gespräche? Fragen wir nach, ob jemand vielleicht Probleme hat?

Genau hier ist geschwisterliche Fürsorge und Nächstenliebe gefragt. Genau hier können wir verhindern helfen, daß jemand auf die schiefe Bahn gerät. Der Teufel versucht immer wieder, unser habhaft zu werden. Aber Gott ist stärker als der Teufel. Jedoch liegt es an uns, regelmäßig Unkraut zu jäten, damit dieses nicht die kleinen Pflänzchen überwuchert. Bei Judas hatte niemand Unkraut gejätet.

Judas hatte eine schreckliche Tat begannen. Aus persönlicher Profitgier heraus verriet er Jesus zum Preis von 30 Silberlingen. Die Hohenpriester hatten dadurch ein leichtes Spiel, Jesus gefangenzunehmen. Aber sie hätten ihn auch ohne diesen Verrat des Judas gefangennehmen können. Die Tat des Judas war nicht notwendig für den Verlauf der Geschichte. Sie erleichterte die Sache lediglich für die Widersacher von Jesus. Doch was geschah dann?

In Matthäus 27, 3 – 5 lesen wir:

Als nun Judas, der ihn verraten hatte, sah, daß er verurteilt war, reute es ihn; und er brachte die dreißig Silberlinge den Hohenpriestern und den Ältesten zurück und sprach: "Ich habe gesündigt, daß ich unschuldiges Blut verraten habe!" Sie aber sprachen: "Was geht das uns an? Da siehe du zu!" Da warf er die Silberlinge in den Tempel und machte sich davon, ging hin und erhängte sich.

Hier nimmt die Handlung eine sehr tragische Wende. Judas erkannte, daß er schlimm gesündigt hatte. Er bereute bitterlich. Er brachte das Geld zurück. Und was passierte?

Es interessierte die Hohenpriester und Ältesten überhaupt nicht. Sie ließen Judas allein. Sie nahmen seine Entschuldigung nicht an. Judas war daraufhin so verzweifelt, daß er keinen Ausweg mehr wußte und sich erhängte.

Wie ganz anders reagiert da doch Jesus!

Zu der Ehebrecherin, die gesteinigt werden sollte sagte er: "So verurteile ich dich auch nicht. Gehe hin und sündige nicht mehr!" (Johannes 8, 11)

Zu dem Verbrecher der am Kreuz neben ihm hing, und der bereute, sagte er: "Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein." (Lukas, 23, 43)

Als Jesus am Kreuz hin, sagte er: "Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!" (Lukas 23, 34)

Jeder, der seine Sünden ehrlich bereut, gleichgültig, wie schlimm seine Taten auch gewesen sein mögen, dem vergibt Jesus. Jesus ist bereit zu vergeben, wenn wir bereit sind, unser Leben zu ändern und nicht mehr zu sündigen.

Welch unerhörte Anmaßung der Hohenpriester war es, Judas nicht zu vergeben! Judas hatte nicht den Mut gehabt, zu Jesus direkt zu gehen. Er hatte auch nicht den Mut gehabt, den anderen Jüngern unter die Augen zu treten. Aber er bereute!

Der Serienmörder in dem Fernsehinterview hatte ebenfalls bereut. Es war ihm klar geworden, daß er Schlimmes getan hatte. Er war bereit, seine Strafe anzunehmen. Gleichzeitig wußte er aber auch, daß Jesus ihm vergeben hatte.

Eine Angehörige von einem der Opfer dieses Serienmörders, hatte ihm ebenfalls vergeben. Sie konnte es tun, weil sie Christin ist. Sie verspürte keinen Haß gegen ihn.

Eine schlimme Tat kann man nicht ungeschehen machen. Aber mit Gottes Hilfe kann man dem Täter vergeben, wenn dieser bereut.

Praktizieren wir das in unseren Gemeinden? Die Antwort möge jeder selbst finden.

Die Hohenpriester sind ein abschreckendes Beispiel dafür, was passieren kann, wenn nicht vergeben wird.

Besser ist es, wir nehmen uns ein Beispiel an Jesus und vergeben.

Und wenn wir selbst etwas Schlimmes anstellen, dürfen wir zu Jesus gehen und es ihm beichten. Wenn wir ehrlich bereuen, wird er uns vergeben, und er wird uns helfen, daß wir Derartiges oder Ähnliches nicht wieder tun.