Vorfreude

Die Vorfreude sei die schönste Freude. Das besagt ein alter Spruch. Es ist auch wirklich etwas dran. So freut man sich etwa auf den Urlaub, blättert Prospekte und bereitet allerlei vor. Man überlegt, wie es wohl an dem fremden Ort aussehen möge und malt sich in Gedanken alle Schönheiten aus.

Oder man weiß, daß man zu einem Fest eingeladen ist und freut sich schon lange darauf. Man denkt nicht fortwährend daran, aber immer wieder zwischendurch schweifen die Gedanken in Richtung des bevorstehenden Ereignisses, und man wird durchdrungen von innerer Freude.

Dieses Wissen um das Schöne der Vorfreude hat sich längst die Industrie zur Nutze gemacht. Wie so oft jedoch, wird da gewaltig übertrieben. So findet man mittlerweile in den Geschäften bereits ab Oktober weihnachtliches Gebäck, Christbaumschmuck und Adventskalender. Kaum sind die Festivitäten zum Jahreswechsel dann vorbei, werden schon Ostereier feilgeboten. Wir werden geradezu erschlagen von Konsumangeboten, die die Vorfreude in uns wecken sollen. Freuen wir uns da wirklich noch? Oder wenden wir uns stöhnend ab und denken: "Oh, nein, nicht jetzt schon!"

Natürlich weiß ich bereits im Sommer, daß zu entsprechender Zeit der Advent kommen wird, daß da alles schön geschmückt sein wird, und daß ich mich dann auf Weihnachten freuen werde. Ich weiß auch bereits im November, daß ich im Sommer des nächsten Jahres möglicherweise bei strahlendem Sonnenschein zum Baden gehen werde und einen solchen Tag genießen werden. Dennoch wäre es geradezu unsinnig, sich im November in der Vorfreude auf einen solchen Tag zu ergehen. Alles Ding hat eben seine Zeit, auch die Vorfreude.

Ich weiß z. B., daß ich irgendwann einmal sterben werde. Ich weiß, daß ich dann bei Jesus sein werde und daß es dort ganz wunderschön sein wird. Ich freue mich darauf, Jesus dann persönlich sehen zu dürfen. Dennoch wäre es völlig unsinnig, wenn ich behaupten würde, daß ich mich auf das Sterben oder den Tod freue. Ich lebe gerne und erfreue mich an meinem jetzigen Leben.

Ich denke, daß das Leben eine gesunde Mischung aus gegenwärtigem Genießen und Vorfreude sein sollte. Auch das Zurückdenken hat darin seinen Platz. Gerne erinnert man sich an schöne, vergangene Ereignisse. Auch Wehmut mag darin bisweilen verwoben sein. Man mag sich an die Vergangenheit mit einem Lächeln erinnern, aber man sollte nie so stark zurückschauen, daß der Blick nach vorne dabei verschwimmt.

"Gott kennt dein Gestern, gib ihm dein heute, er sorgt für dein Morgen." Das ist auch ein Spruch, und ich denke, er ist gut. Wir können uns auf punktuelle Ereignisse der Zukunft freuen, aber was sie wirklich bringen wird, wissen wir nicht. Wenn wir unser Heute und auch unsere Zukunft in Gottes Hände legen, können wir jedoch ganz sicher sein, daß die Zukunft so sein wird, wie es für uns am besten sein wird. Wir dürfen durchaus aktiv dabei mitwirken, aber den Dirigentenstab letztendlich, den sollten wir Gott überlassen. Er liebt uns nämlich, und deshalb will er stets das Beste für uns.