Was hält Gott vom Tanzen

In neuester Zeit kommt es in manchen christlichen Gemeinden immer mehr in Mode, im Gottesdienst auch zu tanzen. Worte wie "Kirchentanz" und "Lobpreistanz" sind entstanden. Andere Denominationen wiederum lehnen den Tanz als etwas Teuflisches rigoros ab. In anderen Kulturkreisen, insbesondere in Afrika, war es von jeher selbstverständlich, bei gottesdienstlichen Feiern zu tanzen.
So fragte ich mich nun: Was hält den Gott selbst vom Tanzen bzw. was sagt die Bibel dazu?

Alles hat seine Zeit und jegliches Vornehmen unter dem Himmel seine Stunde.
Weinen hat seine Zeit, und Lachen hat seine Zeit; Klagen hat seine Zeit, und Tanzen hat seine Zeit;
Was hat nun der, welcher solches tut, für einen Gewinn bei dem, womit er sich abmüht? (Prediger 3, 1 + 4 + 9)

In der Bibel gibt es nur sehr wenige Stellen über den Tanz. Dies hier ist eine davon, und der Schreiber stellt eine ähnliche Frage, wie wir es tun. Was haben wir davon wenn wir tanzen?

Findet es Gott nun gut, daß wir tanzen, oder sollte ein Christ eher nicht tanzen?

Weitere Stellen über Tanz finden wir in 1. Chroniker 15,29 und 2. Samuel 6,14 und 16. Diese Stellen werden zumeist von den Verteidigern des Tanzes genannt. Sie befürworten nicht nur das Tanzen an sich sondern proklamieren vor allen Dingen den sakralen Tanz, Lobpreistanz oder Kirchentanz.

Und David tanzte mit aller Macht vor dem HERRN her und war mit einem leinenen Ephod umgürtet. (2. Samuel 6,14)

König David freute sich so sehr darüber, daß die Lade des Herrn (der wichtigste sakrale Gegenstand der Israeliten) in seine Stadt gebracht wurde, daß er laut jubelte, Posaunen spielen ließ und eben auch tanzte.
Der nächste Satz lautet fogendermaßen:

Und als die Lade des HERRN in die Stadt Davids kam, schaute Michal, die Tochter Sauls, durchs Fenster und sah den König David hüpfen und vor dem HERRN tanzen, und sie verachtete ihn in ihrem Herzen. (2Sam 6,16)

Warum Michal König David verachtete, wird nicht näher erläutert. Von der Vorgeschichte her ist jedoch anzunehmen, daß sie nicht sein Tanzen als solches unschön fand, sondern daß sie es vielmehr für albern hielt, daß sich der große König über diese optisch unscheinbaren Lade dermaßen freute, daß er außer Rand und Band geriet und geradezu ekstatisch tanzte. Das zeigt uns, daß bisweilen ein Mensch vielleicht gar nicht nachvollziehen kann, warum ein anderer Mensch sich dermaßen freut und daher auch nicht versteht, warum dieser tanzt.

Auch in den Psalmen lesen wir vom Tanz. Der Tanz wird dort konkret als "Reigen" tituliert, und wir Menschen werden aufgefordert, Gott nicht nur mit Gesang und mit Musikinstrumenten zu loben sondern eben auch mit Tanz.

Sie sollen seinen Namen loben im Reigen, mit Pauken und Harfen ihm spielen! (Psalm 149,3)

Lobt ihn mit Pauken und Reigen, lobt ihn mit Saitenspiel und Flöte! (Psalm 150,4)

Aber lassen wir auch die Gegner des Tanzes in der Kirche zu Wort kommen. Sie argumentieren hauptsächlich, daß der Tanz in seiner ureigensten Art einen erotischen Zweck habe, und Derartiges habe in der Kirche ja nun wirklich nichts verloren.

So finden wir z.B. folgende Stelle im Alten Testament im Buch Richter:

Wenn ihr dann seht, daß die Töchter von Silo mit Reigen zum Tanze herausgehen, so kommt aus den Weinbergen hervor und nehmt euch ein jeder ein Weib von den Töchtern Silos und geht in das Land Benjamin! (Richter 21,21)

Die Situation ist völlig klar und eindeutig. Angeregt durch den Tanz der Mädchen sollen die Männer aus ihren Verstecken herauskommen, und es soll jeder sich daraufhin eines der Mädchen zur Frau nehmen.

Die bekannteste Stelle in Bezug auf erotischen Tanz in der Bibel ist wohl jene im Neuen Testament in Matthäus 14 und Markus 6, als König Herodes ein Fest gab. Die Tochter seiner Frau tanzte dort so anmutig, daß er ihr voller Begeisterung versprach, ihr jeglichen Wunsch zu erfüllen. Sie verlangte daraufhin den Kopf von Johannes dem Täufer, und Herodes ließ diesen dann enthaupten.

Wenn Tanz derartige Auswirkungen nach sich zieht, kann er dann in der Kirche geduldet werden?

Lassen Sie uns doch ein paar wichtige Fragen erörtern: Was ist Tanz? Was hat er für einen Sinn? Warum tanzen Menschen überhaupt? Was bewirkt Tanz?

Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen

  • dem improvisierten Tanz, wenn also ein Mensch sich tanzend bewegt, um damit auszudrücken, was er gerade fühlt,
  • dem einstudierten Tanz für Jedermann mit bestimmten vorgegebenen Schrittfolgen, etwa dem Volkstanz oder dem Gesellschaftstanz,
  • dem künstlerischen Tanz, bei dem ein Choreograph die Schrittfolgen festlegt und die zumeist ausgebildete Tänzer sie interpretieren.

Im Musical unterscheidet man drei Stufen der Ausdrucksweise: Zunächst kommt die Sprache, um sich mitzuteilen. Um Gefühle und Stimmungen intensiver darzustellen, bedient man sich dann des Gesangs. Die nächste Steigerung ist der Tanz, mit dem man Gefühle noch inniger und deutlicher zum Ausdruck bringen kann.

Dies ist eine grundsätzliche Erwägung, die noch rein gar nichts mit dem Inhalt der Gefühle zu tun hat. Ebenso wie man mit der Sprache Gutes und Böses von sich geben kann, fluchen und segnen kann, so kann man es in verstärktem Maße auch mit Tanz tun.

Natürlich gibt es den erotischen Tanz, mit dem man versucht, sein Gegenüber des anderen Geschlechts auf sich aufmerksam zu machen, es sexuell zu stimulieren, möglicherweise mit dem Ziel, es dann zu verführen. Derartige Absichten beim Tanz werden zumeist den Damen unterstellt.
Ist Ihnen übrigens schon mal aufgefallen, daß in der Tierwelt während der Brunftzeit hauptsächlich die männlichen Tiere erotisch tanzen, um sich vor den Weibchen aufzuplustern? Das nur nebenbei.

Dieser erotische Tanz oder vielmehr die Tatsache, daß viele Männer hinter jeglicher Art von Tanz gleich die erotische Komponente zu entdecken versuchen, ist ein Hauptgrund, warum Tanz in vielen Kirchen verpönt ist. Hinzu kommt, daß in manch anderen Religionen der sakrale Tanz sehr wohl erotischer Natur ist. Man denke hierbei nur an so manche Tempeltänzerinnen und insbesondere an die Tänzerinnen im Tempel der Aphrodite, der griechischen Göttin der Liebe, zu der Zeit, als in Griechenland das Christentum entstand.

Dies alles ist auch ein Grund, warum viele Männer und auch Frauen der irrigen Auffassung sind, Ballettunterricht sei nur etwas für Mädchen.

Aber was für eine Engstirnigkeit ist es doch, in jeglicher Art von Tanz nur immer die mögliche erotische Komponente zu suchen! Tanz ist viel, viel mehr, ebenso wie das Leben aus viel mehr besteht als nur aus Sex.

Die Wissenschaftler haben erforscht, daß Tanz im Dreivierteltakt im Gehirn des Menschen Glückshormone freisetzt. Bewegt man sich zu solcher Musik, so löst das also Fröhlichkeit aus. Entsprechend kann man auch grundsätzliche Freude besonders gut mit Tanz im Dreivierteltakt ausdrücken. Und das hat rein gar nichts mit Erotik zu tun! Es gibt eine Vielzahl anderer Dinge, über die man sich auch sehr freuen kann.

Marschmusik hingegen, die auch definitiv rein gar nichts mit Erotik zu tun hat, hilft den Soldaten, ihren inneren Mut zu steigern und entsprechend couragierter in den Krieg zu ziehen. Wandern Sie gerne? Man geht subjektiv gesehen leichter und flotter, wenn man dabei singt. In vielen Kulturkreisen gibt es ausgesprochene Kriegstänze, die die Soldaten zum bevorstehenden Kampf ermutigen und zurüsten sollen.

Dies sind nur kleine Beispiele dessen, was Tanz bewirken kann. Es gibt inzwischen bei psychischen Erkrankungen einen eigenen Bereich Tanztherapie. Aber auch für gesunde Menschen kann Tanz eine große Bereicherung sein und neue Horizonte des Empfindens öffnen.

Mit Tanz kann man sämtliche Arten menschlicher Stimmungen ausdrücken – vorausgesetzt, man kann überhaupt tanzen.

Die Frage, ob ein Mensch tanzen kann oder nicht, ist eine Frage der Erziehung. Jeder Mensch hat die grundsätzliche Veranlagung zu sprechen. Wenn mit einem Kind jedoch niemals gesprochen wird, so kann es die Fähigkeit des Sprechens nicht kultivieren. Die krassesten Beispiele dabei sind jene der "Wolfskinder", Menschen, die in der Wildnis aufgewachsen sind, niemals Kontakt zu anderen Menschen hatten und daher auch niemals das Sprechen gelernt haben. Nach einem Kontakt mit Menschen, waren sie jedoch durchaus in der Lage, die menschliche Sprache zu erlernen. Auch ist ein Kind von Geburt an mit der Fähigkeit ausgestattet, sämtliche Laute sämtlicher Sprachen zu erlernen. Je nachdem, in welchem Land es aufwächst, übt es dann bestimmte Laute, und andere läßt es unbewußt verkümmern, weil es diesen nie begegnet.

Je mehr und je differenzierter man mit einem Kind spricht, desto intensiver erlernt es eine gewisse Sprache, um so eloquenter lernt es, sich auszudrücken, und entsprechend differenzierter kann es mittels der Sprache seine Gedanken, Gefühle und Stimmungen kundtun.

In genau gleicher Weise verhält es sich auch mit dem Tanzen. Jedes gesunde Kind ist von seinen Veranlagungen her in der Lage, das Tanzen zu erlernen. Je intensiver man bei einem Kind das Tanzen fördert, es zum Tanzen ermutigt und ihm entsprechenden Unterricht zuteil werden läßt, um so differenzierter wird es mehr und mehr in der Lage sein, mittels Tanz seine Gefühle und Stimmungen kundzutun. Natürlich gibt es hier wie bei der Sprache auch unterschiedliche Begabungen. Aber die grundsätzliche Fähigkeit, das Tanzen zu erlernen, hat jedes Kind.

Leider kommen viele Kinder, besonders solche, die in sehr konservativen, christlichen Familien aufwachsen, überhaupt nie in Kontakt mit Tanz, und wenn doch, so kommen sie erst in oder nach der Pubertät auf die Idee Tanzunterricht zu nehmen. Zumeist ist ein solcher Entschluß damit verbunden, daß man sich ausmalt, bessere Chancen beim anderen Geschlecht zu haben, wenn man ein bißchen tanzen kann. Hierbei wird also der Tanz ausschließlich auf den möglichen erotischen Zweck beschränkt. Weil dies in gewissen Kreisen der Gesellschaft seit Jahrhunderten so Tradition ist, verwundert es nicht, daß in vielen mitteleuropäischen Kirchen der Tanz als etwas vermeintlich rein erotisches entsprechend verpönt ist.

In vielen zentralafrikanischen Ländern erlernen die Kinder von klein auf das Tanzen gerade so wie das Sprechen. Somit ist es dort selbstverständlich, daß auch in der Kirche getanzt wird. Die Menschen loben dort Gott mit Tanz ebenso wie sie es mit Gesang, Musik oder auch Sprache tun. Ja, sie tanzen in den Kirchen sogar besonders viel, weil sie damit am innigsten ausdrücken können, wie sehr sie Gott verehren und loben.

Die meisten Mitteleuropäer können das nicht nachempfinden, und das ist bedingt durch deren tanzlose Erziehung sehr verständlich.

Waren Sie schon mal mit Menschen zusammen, dessen Sprache Sie nicht verstehen? Einer erzählt etwas, alle hören zu; plötzlich lachen alle herzlich über den Witz, nur Sie sitzen daneben, und verstehen gar nichts. Es nützt ihnen nichts, daß Sie die gängigen Begrüßungsworte in dieser fremden Sprache kennen; das ist nämlich viel zu wenig, um den Witz zu verstehen.

Ganz genau so ergeht es vielen Menschen, wenn sie mit Tanz konfrontiert werden. Ein Laie kann das Können eines Künstlers auf der Bühne bewundern. Man kann staunend applaudieren.

In fröhlicher Runde kann man sich in einen einfachen Volkstanz eingliedern und nach relativ geringer Übungszeit beschwingt mithüpfen. Das kann Spaß machen, und man kann daraus erkennen, daß man mit Tanz grundsätzliche Lebensfreude ausdrücken kann.

Aber kann man damit Gott loben, so wie es uns der Schreiber der Psalmen vorschlägt? Wie kann jemand von Herzen Gott loben, wenn er gleichzeitig damit beschäftigt ist, sich darauf zu konzentrieren, den richtigen Fuß im richtigen Takt in die richtige Richtung zu setzen? Wenn ich es nie gelernt habe, ein Musikinstrument zu spielen, kann ich nicht plötzlich eines nehmen und meinen, damit Gott loben zu können.

Selbst wenn man es gewohnt ist zu singen, so muß man sich bei einem neuen Lied zuerst darauf konzentrieren, den Text und die Melodie aufzunehmen, und erst nach einer Weile des Übens wird man in der Lage sein, seine Gefühle entsprechend dem Text voll hineinzulegen.

Unser Körper ist durchaus zu vergleichen mit einem Musikinstrument. Wir können und dürfen damit sehr wohl Gott loben. Aber es wird uns nur gelingen, wenn wir wie bei einem Musikinstrument Tonleitern / Schrittfolgen immer wieder fleißig üben, und so allmählich mehr und mehr Fertigkeit darin erlangen, bis wir in der Lage sind, die Bewegungen unseres Körpers so zu beherrschen, daß wir unsere Gefühle und unser Lob Gottes damit wirklich zum Ausdruck bringen können.

Es wäre zu wünschen, daß alle Kinder dieser Welt die Möglichkeit hätten, von klein auf das Tanzen zu erlernen. Sie könnten dadurch nicht nur mit ihrem Instrument "Körper" wunderbar ihre Gefühle zum Ausdruck bringen und Gott loben, ganz nebenbei würde sie nämlich dieses Körpertraining auch gesund erhalten und ihnen sehr viel Freude und gesteigerte Lebensqualität schenken.